Sparen, Jobs streichen und zugleich dem Chef eine Rekordvergütung ermöglichen: Für den Elektroautobauer Tesla scheint das kein Widerspruch zu sein. Zwei Monate, nachdem die Bezirksrichterin Kathaleen McCormick das geplante Aktien-Vergütungspaket für Elon Musk als „fehlerhaft“ und „unverhältnismäßig“ einkassiert hatte, unternimmt das Unternehmen einen weiteren Versuch, das Kompensationsmodell für Musk auf der jährlichen Hauptversammlung im Juni doch noch durchzusetzen. Dies geht aus Unterlagen an die US-Börsenaufsicht hervor, die Tesla am Mittwoch eingereicht hatte.
Das umstrittene Vergütungsmodell sieht für Musk Aktien im Wert von bis zu 55 Milliarden Dollar vor. Dieses Modell war im Januar von Richterin McCormick aus Delaware gekippt worden, nachdem ein Anleger namens Richard Tornetta gegen das Vergütungsprogramm geklagt hatte. Musk hatte nach dem Richterspruch angekündigt, Teslas Unternehmenssitz sowie das Börsenlisting von Delaware nach Texas zu verlegen. Der Umzug der Zentrale ist bereits vollzogen, nun sollen die Aktionäre neben dem Vergütungsmodell auch dem Listing in Texas zustimmen.
Stimmt während der Hauptversammlung eine Mehrheit der Anleger für die beiden Vorschläge, wäre der Weg für die geplante Rekordvergütung wieder frei. Es läge dann an einem Bezirksrichter im Bundesstaat Texas, über mögliche neue Klagen gegen das Gehaltspaket zu befinden. Die damalige Klage in Delaware war unter anderem damit begründet worden, dass Musk die Konditionen für das eigene Vergütungsprogramm praktisch diktiert habe. Der Verwaltungsrat (Board of Directors) sei damals seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen. Statt Musk zu kontrollieren, habe das Board gemeinsam mit ihm gearbeitet.
Sparen im Unternehmen, Milliarden für den Chef
Die Zustimmung zu den Vorschlägen ist jedoch kein Selbstläufer, da sich auch bei Tesla die Stimmung unter den Aktionären verändert hat. Die Aktie des einstigen Börsen-Überfliegers Tesla ist in diesem Jahr gegen den allgemeinen Trend um rund 40 Prozent eingebrochen, da die Nachfrage nach E-Autos deutlich schwächer ist als prognostiziert. Tesla hatte in den vergangenen Monaten eine Rabattschlacht gestartet, um die neuen Tesla-Modelle im Wettlauf mit der erstarkten chinesischen Konkurrenz überhaupt noch in ausreichender Zahl auf die Straße zu bekommen. Dies hat die Profitabilität gedrückt und den Aktienkurs zusätzlich belastet.
Wegen der schwachen globalen Nachfrage hatte Tesla erst vor wenigen Tagen intern bekannt gegeben, jede zehnte Stelle im Konzern zu streichen. Es sei wichtig, sich jeden Aspekt im Unternehmen hinsichtlich Kosten und Produktivität anzusehen, zitierte das auf den Elektroautomarkt spezialisierte US-Nachrichtenportal „Electrek“ am Montag aus einer internen Mail des Tesla-Firmenchefs. Tesla beschäftigte laut eigenen Angaben Ende 2023 weltweit 140.473 Mitarbeiter. Damit stehen nun wohl mehr als 14.000 Jobs auf der Kippe. Berichte, dass Tesla auch in der Gigafactory im brandenburgischen Grünheide rund 3000 Jobs streichen wolle, wies Tesla unterdessen zurück.
Den Aktionären dürfte es im Juni dennoch schwerfallen, neben dem vollständigen Konzernumzug nach Texas auch dem Vergütungspaket für Musk zuzustimmen. Aus der Gruppe der High Performer an der Börse hat sich Tesla inzwischen verabschiedet. Auch die Unterstützung für den exzentrischen Firmenchef hat darunter gelitten.
Anlass für Robyn Denholm, der Vorsitzenden des Verwaltungsrates, in einem Brief an die Aktionäre eine Lanze für Elon Musk zu brechen und um Zustimmung für die Pläne des Unternehmens zu werben. Musk habe sämtliche Wachstumsziele erreicht, die ihm 2018 gesteckt worden waren. Wegen der Entscheidung der Bezirksrichterin in Delaware habe Musk praktisch keine Vergütung für seine Arbeit der vergangenen sechs Jahre erhalten. Dies sei „äußerst unfair“ gegenüber Musk und widerspreche auch dem Willen der Aktionäre, die damals mehrheitlich für das Vergütungspaket gestimmt hatten.
Abschied aus Delaware, Umzug nach Texas
Darüber hinaus habe Tesla sogar den Aktionärsberater Innisfree M&A engagiert, um in den kommenden Wochen intensiv für die beiden Vorschläge des Unternehmens bei den Anlegern zu werben, berichtet der Nachrichtensender CNBC. Das Unternehmen sei erstmals seit 2018 von Tesla wieder engagiert worden.
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Ob die Aktionäre das während der kommenden Hauptversammlung am 13. Juni genauso sehen, ist angesichts der geplanten Stellenstreichungen offen. Mancher Anleger könnte auf die Idee kommen, auch Musk solle einen Sparbeitrag leisten.
Das Urteil McCormicks hatte Musk im Januar zu der Aussage veranlasst, man solle „niemals sein Unternehmenssitz in Delaware ansiedeln“. Bislang genießt der US-Bundesstaat in Corporate America wegen seines verlässlichen Rechtsrahmens einen guten Ruf – mehr als die Hälfte der Unternehmen aus dem S&P 500 haben ihren Unternehmenssitz dort. Doch Musk sieht die Zukunft für Tesla und seine weiteren Unternehmen wie X und Neuralink stattdessen in Texas. McCormick und Musk werden ohnehin keine Freunde mehr: Auch in dem Prozess mit dem Ziel, Musk zum Kauf von Twitter zu verpflichten, war McCormick damals als Vorsitzende Richterin vorgesehen. Musk, der die Übernahme in letzter Minute doch noch absagen wollte, entschied sich noch vor Beginn des Prozesses zur Übernahme.